Die Senkung der Mehrwertsteuer als Reaktion auf den Konjunktureinbruch ist aus Sicht von Behavioral Pricing nicht nur deswegen ein relevantes Thema, weil sie unmittelbar die Frage berührt, wie Unternehmen ihre Preise nun setzen sollen. Sondern auch deshalb, weil schon die Diskussion darüber ihre Wirkung beeinflusst. Damit ist sie ein Experiment für die Preispsychologie des Marktes par excellence.
Neben dem Bestreben, den Konsum wieder attraktiver zu machen, soll die Mehrwertsteuersenkung vor allem einem Effekt der Corona-Krise entgegenwirken: dem Aufschieben von Kaufentscheidungen aus Unsicherheit. Damit dieser Effekt eintritt, muss über die Befristung absolute Sicherheit herrschen. Paradoxerweise würde schon die Erwartung, dass die Senkung über den Januar hinaus verlängert werden können, den erhofften Effekt, nämlich mehr Konsum, zu Nichte machen. Denn dann gäbe es keinen Grund mehr, Kaufentscheidungen vorzuziehen.
Ob es sich ein Unternehmen erlauben kann, die Senkung nicht weiterzugeben, hängt also davon ab, ob das als fair wahrgenommen wird. Für die gebeutelte Gastronomiebranche oder sogar den Friseur dürfte das eher gelten als für die von manchen Kunden als ausbeuterisch wahrgenommenen Lebensmitteldiscounter, die von der Krise aus deren Sicht ohnehin profitieren. Aber auch nur dann, wenn nicht alle anderen Gastronomen und Friseure die Preise senken. Tatsächlich haben viele Lebensmittelhändler angekündigt, die Senkung weiterzugeben, während Gastronomen sich stärker dagegen verwehren.
#1 Gehören Sie zu den Unternehmen, die die Mehrwertsteuer weiterreichen sollten?
Sind Preise bekannt (Kognition), kann man die Nicht-Weitergabe nicht fair begründen (Motivation). Ist die Nachfrage preiselastisch, dann wahrscheinlich schon. Um diese Fragen zu beantworten, muss man die Entscheidungssituation der Kunden aber im Detail verstehen.
#2 Soll die Mehrwertsteuersenkung teilweise, vollständig oder sogar mit weiteren Rabatten weitergegeben werden?
Da eine teilweise Weitergabe als unfair wahrgenommen würde, weitergehende Rabatte aber die Preisabwärtsspirale anheizen, ist eine Weitergabe eins-zu-eins am ehesten zu empfehlen. Die sich daraus ergebenden krummen Preise könnten eine Chance für spätere Preiserhöhungen sein, da dann nicht mühsam Schwellen genommen werden müssen.
#3 Wie soll die Senkung kommuniziert werden?
Vor allem muss sichergestellt werden, dass der reduzierte Preis nicht zum gefühlten Normalpreis wird, von dem im Januar nicht mehr abgerückt werden kann. Das geht am besten, in dem die Ersparnis explizit als solche ausgewiesen wird. Wo der Warenkorb vom Preis abhängt (z.B. beim Online-Shopping oder in der Fahrzeugkonfiguration) kann eine prominente Kommunikation (z.B. ein Ticker, der zeigt, wie viel der Kunde spart, je mehr er ausgibt) sogar als Upselling-Instrument funktionieren.
Weitere Fragen ergeben sich vor allem daraus, wie mit geplanten Preisanpassungen umzugehen ist. Soll eine geplante Preiserhöhung ausgesetzt werden? Soll sie dann vor, mit oder nach der Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer vorgenommen werden?
Diese und andere Fragen diskutieren wir gerne mit Ihnen. Denn die Antwort muss differenzierter ausfallen als ein einfaches Ja oder Nein zur Weitergabe. Behavioral Pricing kann Ihnen Antworten liefern. Sprechen Sie uns an!