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Preisstrategie und Vertriebsoptimierung powered by Behavioral Economics

Rabattstrategie: Kein Zauber, sondern Fluch

Ständige Sonderangebote und Rabatte sind zunächst leichte Maßnahmen, die wie von Zauberhand neue Kunden anziehen und den Umsatz steigern. Leider entpuppt sich dieser "Zauber" auf Dauer als Fluch mit schweren Langzeitschäden.

"Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los!"

Ständige Sonderangebote und schwindelhohe Rabatte gehören für nahezu alle Möbelhäusern in Deutschland zur Normalität. Auf Nachlässe von 50%, 60%, oder gar 80% folgen zwar erst einmal Umsatzsteigerungen. Doch manche Möbelhäuser nehmen gerade wieder Abschied von der Rabattstrategie.

Wie der junge Magier aus Goethes Zauberlehrling versucht, seinen eigens beschworenen, jedoch fatalen Zauber loszuwerden, so versuchen viele Möbelhändler den eigenen Rabatt-Fluch abzuschütteln. Warum hat sich die Rabattstrategie als Fluch entpuppt? Welche Maßnahmen ergreifen die Unternehmen, und welche Lehren kann jeder aus dieser Misere ziehen? Wir klären Sie auf.

Wer mit grundlosen Rabatten um sich wirft, ist bereits verzaubert

Irgendwann müssen die deutschen Möbeleinzelhändler auf die Idee gekommen sein, dass exzessive Rabatte die richtige Strategie für ein profitables Geschäft sind. Was genau die Möbelhändler auf die Idee gebracht hat, dass „Mondpreise“, hohe Rabatte und Streichpreiskommunikation eine erfolgreiche Preisstrategie ausmachen, ist kaum noch nachvollziehbar. Auf jeden Fall ignorierten sie dabei die Tatsache, dass der profitabelste unter ihnen IKEA niemals nennenswerte Rabatte gewährt. Aber das nur am Rande.

Rabatte in den Mittelpunkt der Preisstrategie zu stellen, war nie sonderlich kreativ, geschweige denn von dauerhaftem Erfolg gesegnet. Das bekannteste Beispiel ist wohl die Baumarktkette Praktiker, die diese Lektion vor einigen Jahren auf die harte Tour hat lernen müssen. Praktiker gewährte regelmäßig 20% Rabatt – ohne Grund und völlig vorhersehbar für „alles außer Tiernahrung“. Als Resultat war die Marge hauchdünn, die Einnahmen schrumpften immer weiter, und das Management trieb das 3 Milliarden Euro Umsatz Unternehmen mit 20.000 Mitarbeitern im Jahr 2013 in den Ruin. Seitdem ist der Rabatt-Wahnsinn bei den Baumärkten erst einmal Geschichte. Trotzdem dauerte es einige Jahre, bis die Möbelhändler aus diesem Misserfolg ihre Schlüsse zogen.  

Sobald der Rabatt-Zauber ausgesprochen ist, gibt es kaum ein zurück

Kürzlich hat Segmüller als einer der größten Möbelhändler in Deutschland beschlossen, seinen Preisaktionen und hohen Rabatten den Rücken zu kehren. Das neue „Preisversprechen“: weg von grundlosen Aktionspreisen und willkürlichen Ausnahmen, hin zu „ehrlichen“ und „echten“ Preisen.

Das ist eine aus unserer Perspektive sehr interessante Strategie, die es sich zu verfolgen lohnt. Allerdings können wir aus Erfahrung wetten, dass es nicht lange dauern wird, bis Segmüller wieder zu seiner Rabatt-Strategie zurückkehren wird.

Verstehen Sie das aber bitte nicht falsch: Es ist grundsätzlich nicht verkehrt, eine „ehrliche“ Preisstrategie zu verfolgen. Warum wir glauben, dass Segmüller und Co. in der Umsetzung scheitern werden? Rabatte haben zwar einen äußerst verlockenden, kurzfristig positiven Effekt: Mit Rabatten ist einfach geworben, die Kunden kommen in den Laden, und der Umsatz steigt – wie aus Zauberhand. Dieser Zustand hält allerdings nicht lange an.

Der wahre und leider auch langfristige Effekt der Rabattierung kommt schleichend und bringt fatale Folgen mit sich! Künftig besuchen die Kunden den Laden nämlich nur noch dann, wenn ihnen hohe Rabatte versprochen werden. Und während die Einzelhändler immer höhere Rabatte vergeben, um Kunden anzulocken, verliert der Preis als ein Indikator für Qualität stetig seinen Wert. Das wichtige Merkmal eines guten Deals ist nun die Differenz zwischen „altem“ und „rabattiertem“ Preis, den es zu maximieren gilt. Kunden lernen schnell: „Da geht noch was“.

Erst nachdem die Händler ihre Gewinne komplett ruiniert haben, fangen sie an, sich nach einer Alternative zur Rabatt-Strategie umzusehen. Manche werden womöglich dem Segmüller-Beispiel folgen. Der Versuch, während eines laufenden Spiels allerdings eine Kehrtwende zu vollziehen, ist meist riskant und in der Regel zum Scheitern verurteilt.

Zwei Beispiele:

  • Deutschland, 2011: „Geiz ist geil” war für lange Zeit der Slogan des Elektronikhändlers Saturn. Derweil versuchte das Schwesterunternehmen MediaMarkt, die eigene rabattzentrierte Werbestrategie zu beenden. MediaMarkt proklamierte also in einer groß angelegten nationalen Kampagne das “Ende des “Preiswahnsinns”. Das Resultat: Die Verkäufe gingen dramatisch zurück, und die Kampagne wurde schnell wiedereingestellt.
  • USA, 2012: Das US-Einzelhandelsunternehmen JCPenny kündigte an, dass „fake“ Preise verschwinden und durch „faire“ und „ehrliche” Preise ersetzt würden. Nach einem Umsatzsrückgang von mehr als 30%, im umsatzstärksten Winterurlaubsquartal kehrte man rasch zu einer auf Rabatte und Promos ausgerichteten Strategie zurück. Bis heute konnte sich das US-Unternehmen nicht richtig von diesem Versuch erholen.

Behavioral Pricing zeigt: Rabattstrategien haben nichts Magisches an sich

Warum hat sich Segmüller und Co. dann überhaupt vom Rabatt-Zauber in den Bann ziehen lassen?

Die klassische Preistheorie besticht mit einer einfachen Rechtfertigung: “Die Kunden wollen es so”. Dem liegt ein weitverbreiteter Irrglaube zugrunde, dass Kunden eine individuell definierte Zahlungsbereitschaft haben, eine fixe Preisgrenze für jedes Produkt oder jede Dienstleistung, die sie unter keinen Umständen überschreiten würden. Wenn ein Unternehmen demnach den Preis durch Rabatte senkt, zieht es folglich zusätzlich jene Kunden mit einer niedrigeren Zahlungsbereitschaft an, die vorher nicht gekauft hätten.

Sobald die Rabatte aufgehoben werden, kaufen diese Kunden einfach nicht mehr, während Kunden mit einer höheren Kaufbereitschaft weiter kaufen. Die Ausgangssituation ist somit wiederhergestellt, aber kurzfristig stiegen die Umsätze. Doch der vermeintliche Segen entpuppt sich als Fluch: Die langfristigen Folgen von Rabattschlachten sieht die klassische Preistheorie nicht.

Behavioral-Pricing offenbart die wahren Gefahren von Rabatten

Folgt man Behavioral Pricing, besitzen Kunden keine fixe Zahlungsbereitschaft, sondern sie entwickeln Preisakzeptanz, beeinflusst dadurch, was auf dem Markt angeboten wird und wie dies verkauft wird (siehe dazu unseren Artikel zum Thema  Preisakzeptanz statt Zahlungsbereitschaft – die Metrik für besseres Pricing).

Angesichts starker Rabatte werden die Kunden ihre Preisakzeptanz nach unten anpassen. Sie beginnen erst dann Rabatte zu erwarten, nachdem sie gelernt haben, dass man nicht kaufen sollte, wenn es keine Rabatte gibt. Die Menschen wollen also Rabatte, weil sie in der Vergangenheit angeboten wurden, und nicht, weil sie diese von sich aus erwarten. Behavioral Pricing sieht den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang von Rabatten also entgegengesetzt der klassischen Preistheorie. Deshalb sagen wir: „Die Preisakzeptanz ist kein Tank, der irgendwann leer ist, sondern ein Muskel, der trainiert werden muss”. Die Gewährung von Rabatten lässt diesen Muskel verkümmern. Und genau darin liegen die wahren Kosten der Rabattstrategie.

Der erste Schritt, den Rabatt-Fluch loszuwerden: Seine eigene Macht erkennen!

Verstehen Sie Ihre Rolle als Trainer der Preisakzeptanz

Erste Behavioral Pricing Lektion, wenn es um die Rabattierung geht: Unternehmen reagieren nie nur passiv auf eine bestimmte Zahlungsbereitschaft, die im Kunden von Grund auf vorhanden ist. Stattdessen schaffen oder zerstören sie aktiv die Preisakzeptanz in ihrem Markt. Wer die Rabattgewohnheit ablegen will, sollte damit beginnen, seine eigene Macht zu erkennen.

Goethes Zauberlehrling erkennt: „Die ich rief die Geister, werd’ ich nun nicht los“. Jene Einsicht fehlt oft bei Entscheidern im Handel, die sich über genau das Kundenverhalten beklagen, das sie selbst geschaffen haben. Fangen Sie also bestenfalls überhaupt nicht erst mit den unbegründeten Rabatten an. Es gibt andere, durchaus elegantere Lösungen im Pricing und Selling!

Verstehen Sie das Risiko bezüglich der Wertwahrnehmung

Die zweite Lektion geht Hand in Hand mit dem Verfall der Preisakzeptanz durch unangemessene Rabatte. Sie bezieht sich jedoch auf die Wertwahrnehmung der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen: Menschen hassen Dissonanzen. Sie achten darauf, dass die Dinge im Einklang sind. Wenn also ein Produkt ohne weitere Erklärung außer “jetzt ist es billiger” rabattiert wird, führt dies letztendlich zu einer Abwertung des angebotenen Produktes oder der jeweiligen Dienstleistung. Wie sonst ließe es sich für den Kunden erklären, dass der Verkäufer das gleiche Produkt plötzlich zu einem niedrigeren Preis anbietet? Es muss in der Vergangenheit zwangsläufig zu teuer und minderwertig gewesen sein, um den ursprünglichen Preis zu rechtfertigen. Besonders bei Produkten oder Dienstleistungen, die keinen klaren Referenzpreis oder Marktwert haben, ist das Risiko einer solchen psychologischen Abwertung erheblich.

Erkennen Sie die Auswirkungen von Entscheidungen auf die "Psycho-Logik"

Zum Dritten zeigt uns Behavioral Pricing, dass die langfristigen Folgen von Rabatten und Werbeaktionen nicht nur quantitativ sind (Verlust an Preisakzeptanz und wahrgenommenem Wert), sondern auch qualitativ hinsichtlich der Psycho-Logik des Entscheidungsprozesses Ihrer Kunden. Preisnachlässe und Werbeaktionen werden vor allem “Schnäppchenjäger” anziehen oder – noch schlimmer – Kunden zu Schnäppchenjägern umerziehen. Andere Entscheidungstypen wie z.B. die Verlustaversive, werden abgeschreckt.

 

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Für sie lösen hohe Rabatte immer Zweifel an der Qualität und Fairness des Angebots aus (mehr zu den fünf GRIPS-Typen finden Sie im Erklärvideo).

Demnach verändert eine rabatt- und werbeorientierte Preispolitik die vorherrschende Entscheidungsstrategie Ihres Kundenstamms. Eine Veränderung, die Ihr Unternehmen an den Grundpfeilern angreift und langfristig bleibt. Der Versuch, diese Strategie von einem Tag auf den anderen zu ändern, wird wahrscheinlich scheitern, da sich der Kundenstamm durch Rabattierung vollständig auf diese einstellt, wenn sie ihm unbegründet in der Vergangenheit immer wieder geboten wurden.

Segmüller, JCPenney und Co. versuchen deshalb, aus Sicht von Behavioral Pricing, drei fast unmögliche Ziele gleichzeitig zu erreichen: Erstens versuchen sie, eine höhere Preisakzeptanz anzutrainieren, was so kurzfristig nicht möglich ist. Zweitens versuchen sie, die gleichen Produkte und Dienstleistungen mit einem höheren Wert neu zu positionieren. Drittens zielen sie auf neue Entscheidungstypen ab, die sie in der Vergangenheit verscheucht haben. Eine „faire“ und „ehrliche“ Preisgestaltung ist in der Tat am attraktivsten für Verlustaversive, aber genau diese Kunden sind es, die notorisch skeptisch auf Angebote von Unternehmen reagieren, die dafür bekannt sind, mit „Mondpreisen“ zu arbeiten und astronomische Rabatte zu gewähren. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass sie der plötzlichen Preisstrategie-Änderung nicht trauen werden. Gleichzeitig hält sich die bestehende Basis der Schnäppchenjäger fern, was den Absatz noch weiter negativ beeinträchtigt.

Wie Sie mit Behavioral Pricing den Rabatt-Zauber brechen

Goethe lässt durch die Rückkehr des alten Meisters den Zauberlehrling retten. Bei der Preisgestaltung ist die Lösung leider nicht so einfach. Mit dem richtigen Pricing-Ansatz können wir eine gewinnvernichtende Preisstrategie Schritt für Schritt umkehren. Drei Aspekte sind hierbei entscheidend:

Langfristige Kosten von Rabatten

Behavioral Pricing zeigt, dass Unternehmen viel sensibler mit den langfristigen Auswirkungen von Rabatten und Werbeaktionen umzugehen müssen. Ihre Kunden von Anfang an in die richtige Richtung zu lenken, ist viel einfacher, als zu versuchen, sie später wieder umzugewöhnen.

Rechtfertigung von Rabatten

Rabatte und Werbeaktionen sind weniger schädlich, wenn sie entweder mit einer klaren und glaubwürdigen Begründung verbunden sind (z.B. „neue Designs kommen rein und der Bestand muss weg“) oder mit einer Verpflichtung, die die Kunden mitbringen müssen (d.h. mehr Artikel kaufen). Mit anderen Worten, auch Rabatte und Werbeaktionen müssen „fair“, nachvollziehbar, und dem Kunden gegenüber vernünftig sein. Nur dann sind sie reversibel und haben weniger katastrophale Nebenwirkungen auf die Wahrnehmung des Produktwertes, und die Preisakzeptanz.

Strategische Dimensionen jenseits des Preisniveaus

Zuletzt sind Preisstrategien nicht allein an das Preisniveau gebunden. Sie müssen mehr Dimensionen in Ihrer Preisstrategie berücksichtigen. Die GRIPS-Typen beispielsweise reagieren unterschiedlich sensibel auf Preislage, Preisvorteile, Preisnutzung, Preisfairness, Preiskontrolle usw. Alles entscheidende Dimensionen des strategischen und taktischen Preisimage-Managements. Nutzen Sie diese, um nicht in eine Grube zu fallen, die Sie sich – im Wesentlichen – selbst schaufeln.

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