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Strategien für den Umgang mit der Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer

Kurz vor Ende des Jahres ist es an der Zeit, sich mit einem Thema zu beschäftigen, das die allermeisten Unternehmen betrifft - der Wiederanstieg der Mehrwertsteuer nach der temporären Senkung im Juli 2020. Wir haben die wichtigsten Empfehlungen und Learnings für Sie zusammengefasst.

Hat die kurzfristige Mehrwertsteuersenkung den erhofften „Wumms“ gebracht?

Die Senkung der Mehrwertsteuer sollte vor allem dem Aufschub größerer Konsumentscheidungen aus Unsicherheit entgegenwirken. Und weil die Ersparnis vor allem bei teuren Anschaffungen spürbar ist, könnte die Senkung hier durchaus einen Effekt gehabt haben. So meldete das Kraftfahrtbundesamt im Herbst starke Zuwächse bei den Neuzulassungen von Pkws. Wie weit diese aber tatsächlich auf die Senkung der Mehrwertsteuer zurückzuführen sind, ist auch unter Ökonomen umstritten.

In vielen anderen Branchen ist die Nachfrage weniger preiselastisch. So haben Konsumenten im Einzelhandel zwar von der Senkung profitiert, aber deswegen kaum mehr eingekauft.

Dass Unternehmen die Senkung trotzdem an die Kunden weitergaben, war vor allem ein Dominoeffekt und hat mit Fairness zu tun: Wenn ein Unternehmen einer Branche einmal mit der Weitergabe der Mehrwertsteuer vorgeprescht ist, können andere Unternehmen kaum mehr begründen, warum sie das nicht tun. Aus diesem Grund haben z.B. auch die meisten Telekommunikationsunternehmen die Preise gesenkt.

Nur wenige Branchen – z.B. einige Zeitungsverlage  – haben sich der Weitergabe verwehrt und im selben Zeitraum sogar die Preise erhöht. Was passiert ist? Es hat nicht zu überdurchschnittlich vielen Kündigungen geführt und zeigt, dass Kunden eine Weitergabe nicht immer erwartet haben oder es ihnen schlicht egal war. Hier wäre eine Weitergabe verschenktes Geld gewesen, auch weil die Kunden es kaum bemerkt hätten.

Insgesamt sind sich Ökonomen einig: Viel mehr als ein politisches Signal, von dem vor allem diejenigen Einkommensgruppen profotierten, die es nicht unbedingt nötig haben, war die Senkung nicht.

Wie sollten Sie nun mit der Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer umgehen?

Wie mit dem Wiederanstieg umzugehen ist, hängt davon ab, wie Sie mit der Senkung umgegangen sind:

Wer die Mehrwertsteuersenkung still weitergegeben hat (wir hatten über verschiedene Strategien im Umgang mit der Mehrwertsteuersenkung in einem weiteren Blogartikel – siehe rechts – berichtet), für den dürfte es am einfachsten sein, ebenso still die Erhöhung umzusetzen. Wer die Senkung laut kommuniziert oder sogar überboten hat (wie viele Einzelhändler), nimmt seinen Kunden, die man damit übrigens noch preissensibler gemacht hat, gefühlt mehr weg. Ob Unternehmen, die die Senkung gar nicht erst weitergegeben hatten, am wenigsten Probleme haben werden, hängt davon ab, ob andere, die das getan haben, sich  als fairer darstellen können.

Wie auch schon bei der Senkung ist es bei der Wiederhöhung also eine Frage der Fairness und der richtigen Kommunikation:

#1 Still weitergeben

Dass alle Unternehmen einer Branche die Erhöhung still weitergeben dürfte die beste Strategie sein. Wenn ein Unternehmen ausschert und die Preise z.B. weiter reduziert, sollten Sie sich nicht auf diesen Preiskampf einlassen, sondern selbstbewusst den Eindruck erwecken, als wäre die Erhöhung selbstverständlich, ohne das aber zu laut zu begründen oder zu rechtfertigen. Sonst droht eine weitere Preisabwärtsspirale.

#2 Alternativen zur Preissenkung

Wenn Sie Ihren Kunden etwas Gutes tun wollen, dann sollte das nicht einfach als Weiterführung der Senkung daherkommen, sondern den Regeln guter Anreizgestaltung folgen (lesen Sie hierzu gerne unseren Blogartikel zum Thema „Black Friday“). Gutscheine in Höhe der sonst (durch Nicht-Erhöhung) erzielten Ersparnis für einen begrenzten Zeitraum, die zusätzlich Kaufanreize bieten, sind z.B. eine bessere Idee als eine Preissenkung.

#3 Vorsicht mit versteckten Preiserhöhungen

Das eine oder andere Unternehmen wird wahrscheinlich versucht sein, mit der Mehrwertsteuererhöhung auch eine kleine Preiserhöhung unterzubringen. Auch wenn Kunden das nicht von sich aus merken, ist das sehr riskant. Denn wenn es bekannt wird, wird es schnell als extrem unfair wahrgenommen. Denken Sie an die Euro-Einführung, die viele Unternehmen zur Preiserhöhung genutzt haben, was den Euro als Teuro in Verruf gebracht hat.

Was wir aus der Mehrwertsteuersenkung und –Wiederanhebung für die grundsätzliche Preisgestaltung lernen können
#1 Verluste schmerzen mehr als Gewinne

Dass eine temporäre Senkung grundsätzlich keine gute Idee ist, lässt sich schon aus dem zentralen Prinzip der Verhaltensökonomie, der Prospect Theory, ableiten: Verluste schmerzen mehr als Gewinne. Demzufolge kann der gefühlte Gewinn bei der Senkung den gefühlten Verlust bei der Wiederanhebung nicht kompensieren. Das gilt übrigens für jede Preismaßnahme und ist ein Grund für Preisabwärtsspiralen: Nach jeder Preissenkung verschiebt sich der erwartete Preis nach unten, und bei Wiederanheben auf das vorherige Niveau haben die Kunden netto mehr Schmerz als Gewinn verspürt. Seien Sie daher vorsichtig mit Preissenkungen. Lesen Sie dazu auch in unseren Blogartikeln, wie Rabattstrategien zum Fluch werden und wie fundamental Sie die Entscheidungsprozesse der Kunden verändern können.

#2 Ein Euro ist nicht gleich ein Euro

Ein Euro ist nicht gleich ein Euro: Während für einen Homo Oeconomicus eine Preisanpassung um 2,6% infolge der Wiederanhebung der Mehrwertsteuer identisch zu einer Preisanpassung von 2,6% infolge einer Preiserhöhung durch den Anbieter ist, nehmen echte Kunden beides völlig unterschiedlich wahr. Im ersten Fall als nachvollziehbare Notwendigkeit, im zweiten Fall als willkürliches Ausnutzen. Achten Sie bei Preisanpassungen also darauf, von welchen mentale Konten Sie abheben.

#3 Fairness schlägt Vorteile

Jede (Preis-)Maßnahme sollten Sie daraufhin abklopfen, ob die Kunden sie als nachvollziehbar und fair bewerten werden. Das ist wichtiger als ein wie immer gearteter monetärer Effekt und gilt für Vorteile wie für Nachteile für die Kunden. Was diesen Test nicht besteht sollten Sie lieber unterlassen.

Auch wenn die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer also nicht wirklich die beabsichtigte Wirkung gezeigt hat, hat es jedoch einen positiven Effekt – Sie könnten für Ihre zukünftige Preisgestaltung hinsichtlich der Gefahr von zeitlich begrenzten Preissenkungen oder Rabattvergaben etwas dazu gelernt haben.

Wenn wir Sie bei Ihrer Preisstrategie unterstützen können und Sie jetzt keine Fehler bei der Preisanpassung machen wollen, tauschen wir uns gerne mit Ihnen zu Ihren individuellen Fragen aus. Hier können Sie uns direkt kontaktieren.

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